Text zu Lehre
Ein Überblick über verschiedene Kurse im Masterstudium, die ich als Lehrbeauftragte im Institut Art and Design Research der Architekturfakultät der Hochschule München zwischen 2015 und 2020 gehalten habe. Bei den kurzen Texten handelt es sich um Vorankündigungen selbst entwickelter Themen und Formate, basierend auf dem Lehrplan und den Lerninhalten des Architekturstudiums der Hochschule München.
In diesem Kurs entwickeln wir ein Gestaltungskonzept für einen Interreligiösen Raum, der für verschiedene Konfessionen zur Andacht und zum Gebet genutzt werden kann. Wir beschäftigen uns zunächst mit Grundlagen der Liturgie und den sich daraus ergebenden Bedarfen der einzelnen Religionen. Wir stellen Künstler vor, die in Ihren Arbeiten auf unterschiedliche Art und Weise Spiritualität erzeugen: im besondernen Einsatz von Material, im Einsatz von Handlung und Ritual, oder indem sie mit den Grenzen unserer Wahrnehmungsfähigkeit arbeiten. Ziel ist es, einen beispielhaften Raum, eine Raumstruktur oder ein Farb-/ Lichtkonzept zu entwickeln und diese im Modell darzustellen. Eine Stellungnahme zur Herleitung der Idee und eine Dokumentation zum Entwicklungsprozess erläutern und vervollständigen die Arbeit.
Zu Semesterabschluss ist eine gemeinsame Präsentation und Diskussion der entstandenen Konzepte unter Einbeziehung von Vertretern unterschiedlicher Religionen und weiteren Gästen, vorgesehen.
Die derzeit laufende öffentliche Debatte über die zunehmende Zersiedelung und Versiegelung von Landschaft durch Einfamilienhäuser, bildet den Hintergrund unseres Themas. Wir befassen uns in diesem Kurs mit dem familiären Wohnen im Ein- und Mehrfamilienhaus, in unserer unmittelbaren Umgebung, im Häuschen am Stadtrand oder auf dem weiten Land. Die Befragung, Untersuchung und Aneignung des Themas wird im Kurs durch den Bau eines analogen Modells vorgenommen. Ein Fragment, Gebrauchsspuren oder ein typisches Detail von Haus, Zaun, Garageneinfahrt, Fassade oder Gummibaum, können Gegenstand der Auseinandersetzung werden. Im Nachbilden einer Sache werden wichtige Erkenntnisse über das Ab-gebildete erlangt. Um welchen Gebäudetypus handelt es sich? Was ist das Besondere an diesem Haus? Welche Geschichte hat es? Wie wurde es von seinen Bewohnern ausgestaltet? Welcher Stil und welcher Geschmack stecken darin? Wieviel Geld, wieviel Status, wieviel Individualität? Und welche Atmosphäre wird erzeugt?
Die Übersetzung einer realen Situation in die Modellsituation verlangt Entscheidungen über Maßstab, Medium, Format, und Darstellungsart. Jedoch gibt es viele Freiheiten in der Übersetzung, denn sie ist immer auch eine Interpretation; Diese besondere Eigenart macht das Modell zu einem wirkungsvollen Instrument im kreativen Prozess, bei dem Spiel und Fiktion mit bestehenden Sachverhalten kombiniert werden können.
In diesem Kurs befassen wir uns mit dem, was uns täglich umgibt: dem Mobiliar, der Einrichtung und der Ausgestaltung öffenlicher, halböffentlicher und privater Räume. Wir wollen die Erscheinung der Gegenstände, die gewöhnlichen Dinge in den Blick nehmen. Mit welcher ästhetischen Auffassung wurden sie gestaltet? Welcher Stil und welcher Geschmack stecken darin? Wieviel Status, wieviel Individualität? Welche zeitgeschichtlichen und gesellschaftlichen Einflüsse bestimmen ihr Aussehen? Welche Atmosphäre wird erzeugt?
Orte als Handlungsräume und Bühnenbilder zu verstehen, und sie in ein neues, dreidimensionales Modell, Bild oder Raumfragment zu übersetzen, wird die Aufgabe des Kurses sein. Als Werkzeug für eine praktische Umsetzung betrachten wir, wie mit dem distanzierenden Blick der sachlichen Fotografie Räume gelesen werden können und mit welchen unterschiedlichen künstlerischen Konzepten ihre Aneignung geschehen kann.
Die Kursteilnehmer/innen sind eingeladen, sich durch persönliche Beobachtungen, Raumanalysen und deren Dokumentation einen individuellen Zugang zum Thema zu erarbeiten.
Wir befassen uns mit dem öffentlichen Raum als ein Ereignis: statische und flexible Elemente stehen in ständig sich verändernden räumlichen und zeitlichen Beziehungen zu einander und produzieren durch diesen Wechsel immer neue Gefüge in ein und demselben Raum. Als Initiator und Anregung über dieses Phänomen nachzudenken, dient uns der Film Playtime von Jacques Tati aus dem Jahr 1967, ein Film, der die Absurdität des modernen Lebens durch die humorvolle Beschreibung von ebenso seltsamen wie vertrauten urbanen Charakteren zeigt. Die urbanen Landschaften im Film beschreiben detailreich städtische Räume bei gleichzeitiger Choreografie verschiedener Passanten, durch eine sorgfältig gestaltete moderne Stadt. In dem Fluss von Menschen und Bewegung durch ebendiese Räume gibt es verschiedene Möglichkeiten, neue Elemente oder Perspektiven im Film zu entdecken, und in der Aktion und Reaktion von Menschen, Dingen und dem Raum eine sich immer wieder erneuernde Gestalt zu erkennen.
Wer formt den Raum? Der Akteur oder der Betrachter?
Wie wird Raum beschrieben? Wie wirken seine Eigenheiten auf die Beziehungen von Objekten und Menschen? Erzeugen Handlungen den Raum oder umgekehrt? Wie entsteht eine Form?
Wo gibt es Reflektionen und Synergien, Dissonanzen und Harmonien?
Wie wirken Zeit und Bewegung auf die Bildung von Mustern und Strukturen?
Und liegt das alles nicht auch im Auge des Betrachters?
Ihre Beobachtungen werden durch filmische oder fotografische Raumanalysen, Audiovisuelle Installationen, oder ortspezifische Interventionen begleitet und gestaltet.
Play is a necessary ingredient in art because there is a kind of wonder that goes on when you play. You're directing your activity toward a conclusion that isn't prescribed by a particular method. Richard Serra
Während man im architektonischen Entwurfsprozess allgemein von einem planvollen und zielgerichteten Vorgehen ausgeht, an dessen Ende ein Entwurfsergebnis steht, stellt man sich beim künstlerischen Schaffensprozess etwas Ungeordnetes, Chaotisches vor – einen Prozess, der mitunter ohne greifbares Resultat endet. Diese beiden sehr konträren Vorstellungen von Arbeit in beiden Disziplinen, nehmen wir zum Anlaß, die Beziehung von Architektur und Kunst hinsichtlich ihrer Gestaltungsprozesse zu untersuchen. Als Motor für beide Gestaltungswege dient die Idee des Spiels. Das Spiel enthält alle Elemente des Schöpferischen. Es unterliegt einer ihm innewohnenden Logik, einem System, einem Ziel. Aber es ist auch zweckfrei, kommunikativ und lässt unerwartete Wedungen und alle Gefühle zu.
Wie kann man das produktive Tun spielerisch angehen? Gibt es ein Ziel, oder steht dies dem Spielerischen entgegen? Gibt es Regeln? Welche Prozesse, welche Logik, welche Ökonomien führen zu einer Form? Wie entsteht eine Form? Welche Rolle spielt das Material und seine Beschränkungen, der Maßstab, der Zweck, die Zeit und der Zufall? Und was kommt dabei heraus?
Die beiden Teilmodule
Intermedialität und
Modellkonstruktion werden in dieser Veranstaltung zusammen abgehalten.
„Wir sind der Meinung, Schönheit sei nicht in den Objekten selbst zu suchen, sondern im Helldunkel, im Schattenspiel, das sich zwischen den Objekten entfaltet.“ Tanizaki Jun’ichiro
Am Beispiel des Umgangs mit Licht und Schatten entwickelt der japanische Schritsteller Tanizaki Jun’ichiro ein Bild der Ästhetik traditioneller japanischer Architektur und Kultur. Er entwirft eine Auffassung von Schönheit, die sich, im Gegensatz zu unserer westlichen Kultur, an Dunkelheit und Unschärfe orientiert. Wir beschäftigen uns durch die gemeinsame Lektüre dieses Essays mit der Vorgehensweise des Schriftstellers, der durch die Beschreibungen unterschiedlichster Lebensbereiche und kulturellen Eigenheiten seine ästhetischen Ideen entwickelt. In einem zweiten Schritt arbeiten wir individuelle Themen aus dem Text heraus und entwickeln eine bildnerische Umsetzung.
Lektüre: Tanizaki Jun’ichiro, Lob des Schattens, 1. Auflage 1933, Manesse Verlag;
Improvisierte Lösungen helfen in einer Notsituation auf direktestem Weg. Hinter diesen Lösungen stecken oft gute Ideen und präzise Entscheidungen. Man muss zudem eine Situation richtig und schnell erfassen können. Man muss kein Spezialist sein. In spontanen Entscheidungen und im Fehlen eines Haltbarkeitsanspruchs kommt man oft zu neuen Denkansätzen und unvorhergesehenen Lösungen.
Warum hat dann das Provisorium eigentlich einen so schlechten Ruf? Hat es auch Vorteile? Besitzt es einen Wert? Ist es schön? Kann man daraus lernen? Anhand von individuellen Beaobachtungen und deren gemeinsame Besprechungen entwickeln wir Themen aus denen eine improvisierte Arbeit für einen Mißstand oder eine bestimmte Situation entwickelt wird. Wir beschäftigen uns darüber mit Techniken, Materialeigenschaften, Formen, Verbindungen und mit der Ästhetik und dem Reiz des Flüchtigen.
Denkmäler im öffentlichen Raum, ehemals ureigene Aufgabe von Bildhauern, haben sich im Laufe der Geschichte genauso gewandelt, wie die Motive und die Ereignisse deren man Gedenken will. Im öffentlichen Gedenken hat sich in jüngster Zeit hat sich das Wort der „Erinnerungskultur“ etabliert. Es bezeichnet neben dem individuellen, vorallem den gesamtgesellschaftlichen Umgang mit Vergangenheit und Geschichte. Hierzu braucht es aber einen gesellschaftlichen Konsens – dem eine öffentliche Debatte vorausgehen muss. Insbesondere die Erinnerung an den Holocaust wurde als gesellschaftfliche Aufgabe verstanden und musste neue Formen des Gedenkens hervorbringen. Wie sollte man einem solch monumentalen Verbrechen gedenken?
Die öffentliche Diskussion erweiterte die Vorstellungen eines Denk – und Mahnmals weg von einer zentrierenden, Distanz schaffenden autonomen Statue. Stattdessen werden beleb- und begehbaren Räume geschaffen, temporäre Kunstaktionen durchgeführt, oder es entstehen „informelle“ Gedenkstätten durch die Aneingnung von Orten durch die Bewohner einer Stadt. Es geht in dem Kurs darum, ein Verständnis dafür zu entwickeln, was ein Denkmal ist, was es leisten kann, welche Formen es annehmen kann und welche Rolle es für unsere Identität, für eine Stadt oder den Zusammenhalt einer Gesellschaft spielen kann. Diese Fragen erarbeiten und beantworten Sie zunächst durch ihren persönlichen Zugang zum Thema. Es soll daraus ein Konzept und kleines Modell entwickelt werden, das Ihre Überlegungen und ihr Problembewusstsein widerspiegelt.
“I consider space to be a material.The articulation of space has come to take precedence over other concerns. I attempt to use sculptural form to make space distinct.” Richard Serra
Das Zitat des Bildhauers Richard Serra belegt den Umstand, das sich in der Geschichte der Bildhauerei seit Beginn des 20.Jahrhunderts eine neue Idee von Skulptur artikuliert. Der Raum, der normalerweise einen Körper umschliesst und an sich formlos ist, wird von dem Bildhauer als formbares Material wahrgenommen. Die Idee, dass sich Raum und Masse gegenseitig bedingen ermöglicht seitdem neue Formen der Skulptur. Im Seminar betrachten wir den Dialog von Raum und Körper anhand von Beispielen aus dem Werk des Bildhauers Richard Serra. Wir besprechen, wie Sie die oben zitierte künstlerische Herangehensweise für die Architektur bewerten, für sich benützen, und im Modell in eine eigenständige Form bringen können.
Unterschiedliche Tageszeiten verändern Räume, lassen sie in Bewegung geraten. Aber auch die Wahrnehmung eines Raumes geschieht nicht durch statische Betrachtung. Vielmehr wird Raum begriffen, da man ihn durch Bewegung erfährt. Die Aufnahme eines Ortes in Bewegung generiert jeweils neue Blickwinkel. Das bedeutet, dass wir in der Betrachtung von Räumen immer mehrere Perspektiven gleichzeitig verarbeiten. Im Wahrnehmungsprozess werden die unterschiedlichen Blickwinkel zur Deckung gebracht und ein räumliches Kontinuum konstruiert. Die eine Blickperspektive existiert in unserer Wahrnehmung nicht. Über Beispiele und experimentelle Untersuchungen reflektieren wir Raum als etwas in Bewegung und in der Zeitlichkeit Wahrgenommenes. Im Seminar werden Möglichkeiten der bildnerischen Umsetzung des selbst erarbeiteten Themas in zwei – und dreidimensionaler Form, durch Fotografie, Film, Zeichnung, prozesshaft erarbeitet.
Def.: Ornament (von lat. ornare „schmücken, zieren, ordnen, rüsten“) ein sich meist wiederholendes, oft abstraktes oder abstrahiertes Muster auf der Fläche, mit für sich genommen, symbolischer Funktion.
Ornament wird in der Regel mit Zierrat und Schmuck verbunden, und existiert in Abhängigkeit und engem Zusammenhang mit seinem Träger, einem Bauwerk, einer Wand, oder einem Objekt. Bis zum „form follows funktion“ der Moderne entwickelte jede geschichtliche Epoche, abhängig von der gesellschaftlichen Norm, ihre eigene Ornamentik. In individuellen Recherchen und gemeinsamen Betrachtungen suchen wir das Ornament im Alltag. Wir untersuchen inwiefern Ornamentik mit Ordnung, Bewegung und Orientierung zu tun hat und wie es die Fläche verlassend, in den Raum hineinwirken kann: wie es Raum generieren, strukturieren und beeinflussen kann. Die Arbeit umfasst Recherche, Analyse und praktische Umsetzung in einem dafür geeigneten Medium (Objekt, Modell, Fotografie, Film).
„Nicht Bauen ... aber was dann? Fallen lassen, Hängen, Anlehnen – kurz gesagt: Handeln.“ Robert Morris, 1970
Im Gegensatz zu unserer Vorstellung von einem Objekt ist der Begriff der Handlung nicht zwingend an ein greifbares oder materielles Ergebnis gebunden. Im Zusammenspiel von Handlung und Ergebnis wird meist das Ergebnis, nicht die Handlung bewertet. In den 1970 er Jahren wurde auf der Suche nach Entgrenzung mit Fluxus, Happening und Land - Art der Handlungsmoment konstruktiver Teil eines sich auflösenden Formbegriffes in der bildenden Kunst.
Wie aber betrachtet man Handlung als ein vom Ergebnis losgelöstem, gleichberechtigtem Ereignis? Und wie bewertet man sie? Gibt es ästehtische Qualitäten, zeitliche und räumliche Bezüge, Rhythmus und Struktur einer Handlung? Hat der Akt des Handelns schon eine Gestalt? Ist der Begriff der „Form“ immer an Materialität und ein sichtbares Resultat gebunden? Anhand von Beispielen aus der Bildenden Kunst schauen wir besonders auf den Akt des Handelns und die Beziehung von Handlung und Ergebnis. Dabei werden bildnerische Disziplinen, wie Bewegung, Zeichnung, Malerei, Skulptur und neue
Medien auf ihre Verwendbarkeit im gestalterischen Prozess hin untersucht.